Sozialwissenschaften

Strategische Partnerschaften: Zusammen Bildungsverantwortung ergreifen

Sebastian Engelhardt · 
02.03.2019

Vortrag auf dem deutsch-georgischen Bildungssymposium, 23.-25.11.2018 in Wien

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Sebastian Engelhardt. Ich bin Leiter der Schulentwicklungsabteilung der Freien Evangelischen Schule Lörrach und freue mich gemeinsam mit meinem Kollegen Lucas Wehner vom Heidelberg InstituteIhnen ein besonderes Projekt christlicher Bildung in Deutschland vorzustellen. Es geht um eine strategische Partnerschaft mit der Vision für christliche Bildung in einem der wichtigsten Zukunftsfelder unserer gesellschaftlichen Entwicklung: Der universitären Bildung.

Lassen Sie mich kurz den Weg skizzieren, den wir als christliche Schule von einer kleinen Elterninitiative zur größten Privatschule Süddeutschlands gegangen sind und der uns die Notwendigkeit für eine Weiterentwicklung christlicher Bildung über den schulischen Bereich hinaus deutlich gemacht hat.

Christliche Bildung im Wandel der Zeiten

Die Freie Evangelische Schule Lörrach (FES) wurde von Eltern gegründet, die ihre Kinder in einem betont christlichen Umfeld, mit einem christlichen Weltbild und Wertekanon aufwachsen lassen wollten. Bei der Schulgründung vor knapp 30 Jahren waren es vor allem Kinder aus christlichen Elternhäusern, für die unsere Schule da war. Das hat sich geändert. Heute kommen nach unseren Erhebungen über die Hälfte aller 2100 Schüler aus eher oder ganz säkularen Familien – und sie sind bei uns herzlich willkommen. Doch umso größer ist natürlich die Herausforderung für uns als Bekenntnisschule: Wie gelingt es, im Bildungsprozess christliche Werte und christliche Weltsicht so zu kommunizieren und didaktisch aufzubereiten, dass kirchenferne und kirchennahe Kinder mitgenommen werden können? Was wir nicht wollen, ist einerseits uns unterschieds- und konfliktlos den Wegen und Weisen der Welt anzupassen oder andererseits uns in Dialogunfähigkeit und Isolationismus selbst genug zu sein. Die Welt ändert sich, unsere Schülerschaft ändert sich, unsere Lehrerschaft ändert sich. Auch Christliche Bildung muss sich ändern. Den Worten Augustinus entlehnt: Schola reformanda semper reformanda est.[1] (Eine glaubenserneuerte Schule muss sich immer weiter erneuern.)

Aspekte christlicher Bildung im Wandel

Wie gelingt die Entwicklung christlicher Bildung? Natürlich haben wir als Schule vielfältige Angebote, Konzepte und Ideen, wie das Bekenntnis den Schulalltag durchdringt. Diese lassen sich wie folgt systematisieren[2]:

Glauben leben

Glauben lehren

Explizit

Andachten, Gottesdienste, Gebetspausen, christliche Jugendgruppen

Religionsunterricht

Implizit

Alltäglich gelebte christliche Ethik (Vergebung, Barmherzigkeit, Fehlerkultur im Unterricht…)

Fachunterricht, vom Bekenntnis geprägte Fachcurricula

Im Wandel der Zeiten von einer fast monolithisch-christlichen hin zu einer eher säkular geprägten Schülerschaft hat aus unserer Sicht die implizite Seite unseres Bekenntnisses an Bedeutung gewonnen. Während Kinder aus christlichen Elternhäusern in der Lage waren, den expliziten Rahmen (Gottesdienste usw.) selbstständig mit Bedeutung zu füllen, braucht unsere heutige Schülerschaft mehr Hilfe. Sie fordern: Practice what you preach! Oder kurzum: Show me!

Unseren Lehrern liegt es ganz natürlich auf dem Herzen, die Botschaft von Andachten, Gottesdiensten usw. mit Authentizität zu versehen, indem sie christliche Werte nicht nur lehren, sondern leben. Würde man eine Umfrage machen, wo Lehrer unserer Schulen ihren Glaubensvollzug als Lehrer verorten, wäre es dieser Quadrant: Gelebte Sozialethik. Dies fällt uns an vielen Stellen nicht schwer, denn einige christliche Tugenden prägen immer noch den gesellschaftlichen Diskurs, obwohl ihr Fundament von der Aufklärung längst ad acta gelegt wurde. So sind Demut (Toleranz), Nächstenliebe (Solidarität) oder Barmherzigkeit („Zweite Chance“) nach wie vor Teil unserer Wertkultur, wenn auch zunehmend im Untergang begriffen.

Eine größere Herausforderung als Bekenntnisschule im Wandel der Zeiten ist für uns der letzte Quadrant christlicher Bildung: Die implizite Glaubenslehre. Ein Gott, dem alles Sein als „Schöpfung“ untersteht, durch und auch für den alles ist – dieser Gott kann nicht auf den soziologischen oder psychologischen Teilbereich des „Religiösen“ beschränkt sein, dieser Gott hat gesprochen zu Politik, gewirkt in Geschichte, sich offenbart in Biologie und Physik. Doch wie unterrichtet man mit so einem holistischen Gottes- und Weltbild? Vor dieser Frage stehen viele unserer Lehrer und auch wir als Schule. Viele Herangehensweisen wirken gezwungen oder unauthentisch. In Mathematik etwa statt mit Äpfeln nun mit Engeln zu rechnen – das ist keine Lösung, sondern Indoktrination. Jeglichen Gottesbezug aber in unterrichtlicher Lehre wegzulassen oder diesen ganz auf den ethischen Bereich zu beschränken, provoziert zu Recht die Frage einer veränderten, säkularen Schülerschaft: Wo ist dieser Schöpfergott, dieser Gott des Alltags, hat er nur mit meiner Seele oder auch mit meinem Bankkonto und meinem Fischernetz zu tun?

Christliche Bildung – eine vernetzte Perspektive

An dieser Stelle stehen und ringen wir. Wir wollen Quadrant Nummer vier nicht aufgeben, aber sehen ein, dass dazu vor allem eine neue Art von Lehrerausbildung notwendig ist, die auf einem christlichen Weltbild basiert und angehenden Lehrern nicht nur eine christliche Perspektive auf Didaktik, sondern auch auf ihre Fachwissenschaft vermittelt. Hierzu benötigen wir als Schule Partner im universitären Bereich, die mit uns gemeinsam solche Aus- und Weiterbildungsformate entwickeln.

Zum zweiten endet christliche Bildung nicht mit der Schulzeit. Für die meisten Schüler beginnt nach der Schule der spezialisierte Teil ihrer Bildungsbiographie, der sie fokussiert auf einen wesentlichen, großen und ungemein praktischen Bereich ihres Lebens vorbereitet: Beruf und Karriere. Als christliche Bildungsinstitutionen müssen wir unseren Blick weiten, nicht nur auf die Zeit vor der Schulbildung. (Dies ist uns gelungen – und mit nicht geringem Erfolg. Die Zahl an neugegründeten christlichen Kitas ist bemerkenswert.) Auch die Zeit nach der Schule ist Bildungszeit. Wo studieren und lernen christliche Jugendliche? Wo werden ihre Werte und auch ihr Weltbild gestärkt und zur Reife gebracht? Wo finden diese ihre Spezialisierung in dem Bereich, der einen Großteil ihres Lebens ausfüllen wird, nämlich in ihrem Beruf?

Deswegen haben wir uns als christliche Schule im Wandel der Zeit auf den Weg gemacht, strategische Partnerschaften zu entwickeln. Wir freuen uns im Heidelberg Institute ein Gegenüber gefunden zu haben, das unsere Vision christlicher Bildung über die Schule hinaus fortführt. Unser Ziel ist es, gemeinsam in den nächsten Jahren konkrete Programme und Studienmöglichkeiten aufzubauen, die die Vision christlicher Bildung bis in den universitären Bereich ausweitet. (Genaueres dazu wird Lucas Wehner vom Heidelberg Institute nachher ausführen.)

Schola reformanda semper reformanda est – ein Teil dieses Reformprozesses ist für uns die Horizonterweiterung über den traditionell schulischen Bereich hinaus und der Aufbau strategischer Bildungspartnerschaften. Die Vision für christliche Bildung und Erziehung muss sich ausweiten auf Schule und Familie, auf Kindergarten und Universität.

[1] Original: Ecclecisia reformanda semper reformanda est. (Augustinus von Hippo)

[2] Michael Hageböck: Fachunterricht im Dienst des Evangeliums. In: Profil schärfen. Band 1, CV 2017

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