Philosophie

Buchrezension zu “Ron Kubsch: Die Postmoderne. Abschied von der Eindeutigkeit“

Prof. Dr. Peter Zöller-Greer · 
01.01.2008

Erschienen im Hänssler Verlag 2007. ISBN: 978-3-7751-4608-1

Ron Kubsch, Dozent für Apologetik und Neuere Theologiegeschichte, mit umfangreicher missionarischer Auslandspraxis, legt diesen „Crash-Kurs“ für zeitgeplagte vor, der – wie auf dem Cover versprochen – in 2-3 Stunden einen umfassenden Überblick über das Phänomen der „Postmoderne“ gibt.

Es ist in aller Munde, doch kaum einer kann es genau erklären: Was das eigentlich ist, die Postmoderne. Doch Ron Kubsch kann es, und das mit erstaunlicher Klarheit.
Bevor ich auf sein Buch weiter eingehe, möchte ich etwas zitieren, das auf bedauerliche Weise zeigt, wie weit uns die Postmoderne gebracht hat. Dazu zwei Auszüge aus offiziellen Publikationen des „Washington State Superintendent of Public Education“ (USA). In dessen „Teaching and Learning Mathematics“ (2000) lesen wir:

  • “Students exhibit four basic ‚dysfunctional mathematical beliefs‘: 1. The goal of mathematical activity is to provide the correct answer to given problems…”

Noch schlimmer steht in „Washington State Professional Development in Action“ (2006) wie man Mathematik-Schüler zu beurteilen hat:

  • „Below standard: Students believe there are right and wrong answers to questions and work to determine what those are… Above standard: Students know their ability to construct understanding and think reflectively about a problem is more valuable than correct answers.“

Das ist Postmoderne in 1 Minute: Glaubt ein Schüler also, dass das Ziel mathematischer Aktivitäten etwa ist, korrekte Lösungen für ein gegebenes Problem zu finden, so unterliegt er einem Irrglauben. Und nur Schüler unterhalb des Standards bilden sich ein, dass es richtige und falsche Antworten gibt (wohlgemelkt: hier geht es um Mathematik) und versuchen gar, diese herauszufinden… Während Schüler „über dem Standard“ die Fähigkeit zeigen, Verständnis für das Problem zu haben und über dasselbe (nicht über die Lösung, sondern nur über das Problem!) zu reflektieren.

Mich würde interessieren, was der Superintendent denkt, wenn er über eine Brücke laufen muss, die von solchen Leuten gebaut wurde, von Menschen also, die sich nicht dadurch auszeichnen, die mathematischen Gleichungen für das Konstruktionsproblem richtig gelöst zu haben, sondern stattdessen kreativ über das Problem reflektierten.

Ernst beiseite – Wenn das „sich-nicht-festlegen-wollen“ selbst in den Mathematikunterricht einzieht, dann kann man ahnen, wie verzweifelt die Anhänger des liberalen Postmodernismus an ihrer Weltanschauung festhalten, und sei es noch so absurd! Und gefährlich ist es zudem auch noch. Zurück zu Ron Kubsch und seinem genialen Buch. Er zeigt ohne große Umschweife auf, wie es zu all dem kommen konnte. Er beginnt damit, dass natürlich durchaus verschiedne Perspektiven beim Betrachten der Welt und ihrer Probleme vorhanden sind, abhängig von Kultur, Umwelt und Erziehung. Er zeigt dann auch, dass es dabei keine Neutralität geben kann, denn jeder von uns hat dieses „Reisegepäck“, wie Kubsch es nennt, auf dem Buckel und kann es nicht abstreifen. Dabei wird auch deutlich, dass es wichtige Unterschiede zwischen den Begriffen „Kultur“ und „Evangelium“ gibt.

Dann widmet Kubsch einen großen Teil seiner Ausführungen der historischen Entwicklung der Postmoderne. Wie diese aus der Moderne entstand, was Nietzsche, Heidegger, Gadamer, Kuhn, Lyotard und Feyerabend damit zu tun haben und welchen Einfluss die Naturwissenschaften auf das ganze hatten. Er liefert 11 Merkmale der Postmoderne, die eindrucksvoll zeigen, warum die Welt sich in ihrer misslichen Lage befindet. Während diese 11 Merkmale u.a. erklären, warum das moralische Bewusstsein in den letzten Jahrzehnten so drastisch abgenommen hat, so zeigt Kubsch auch die Auswirkungen auf die postmoderne Kultur, was sich z.B. in der Architektur, den Bildenden Künsten, der Literatur, im Film, in Sexualität und sogar im Christentum niederschlägt. Besonders gut hat mir Ron Kubsch’s Kritik an der Postmoderne gefallen. Diese Kritik zeigt auch, dass die meisten Grundforderungen der Postmoderne einfach unlogisch sind. So wie das 5. der 11 genannten Merkmale: Hier wird gefordert, „Kanon aufzulösen“. Nun ist diese Forderung aber gerade selbst auch ein Kanon (nämlich der Postmoderne). Schon bereits eine Forderung wie „es soll…“ ist selbst ein moralischer Wert, der insgeheim als absolut unterstellt wird, sonst würde ja selbst auch nicht „ge-sollt“ werden müssen. Die Forderung nach Toleranz ist auch so etwas. Toleranz auf die Spitze gerieben müsste auch die Abweichung gegen sich selbst tolerieren, und wird damit zum Selbstwiderspruch (Tolerierung von Intoleranz). Sind alle Maßstäbe nur relativ, so darf man folgerichtig gar nichts mehr fordern, weder Toleranz noch die Verurteilung von Kindesmisshandlung noch irgend etwas sonst, denn es ist ja alles dies nur relativ und es müssen alle Abweichungen davon auch toleriert werden. Schließlich liefert Ron Kubsch noch einige Seiten dem Verhältnis des Christentums zur Postmoderne und zeigt dabei auch, dass die Postmoderne am „sich verabschieden“ ist. Ein Glück! Bleibt zu hoffen, dass nichts Schlimmeres nachkommt.

Ich habe für das Lesen des Buches ca. 3 Stunden gebraucht und bin begeistert. Das ultimative Buch für alle, die sich schnell einen fundierten Überblick über dieses komplexe Thema verschaffen wollen.

———————————————————————

Prof. Dr. Peter Zöller-Greer 

Member of the New York Academy of Sciences
Fellow and Member of the International Society for Complexity, Information and Design 

Awarded Member of the American Association for the Advancement of Science (AAAS)
Mitglied im Professorenforum Herausgeber des Professorenforum-Journals 

Jahrgang 1956, 1972 Realschulabschluß, 1972 – 1975 Lehre als Physiklaborant (BASF AG Ludwigshafen) & Fachabitur, 1975-1981 Studium Mathematik und Theoretische Physik,(Uni Siegen und Uni Heidelberg), Abschluß als Diplom-Mathematiker , Vertiefungsgebiet: Mathematische Physik, 1981-1983 Systemanalytiker und Programmierer bei BBR Mannheim (Reaktorphysik), 1983-1987 DV-Referent für Bürokommunikation bei ABB Mannheim (ABB Informatik GmbH), 1987-1990 Musikproduzent und Komponist, Verlagsleiter eines Musikverlages, Geschäftsführer der Composia GmbH, zahlreiche Veröffentlichungen im Tonträgerbereich, Filmmusik, Fernsehen, 1990 Promotion an der Uni Mannheim (Dr.rer.nat.) über Approximationstheorie und eine numerische Anwendung auf ein Problem aus der Quantenmechanik, 1990-1993 Dozent an der FH Heidelberg, FB Informatik (Stiftung Rehabilitation). Seit 1993 Professor für Informatik am Fachbereich Mathematik, Naturwissenschaften, Datenverarbeitung an der FH – Frankfurt am Main University of Applied Sciences. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: 

Informatik: Künstliche Intelligenz, Neuronale Netze, Fuzzy-Logic, Genetische Algorithmen, Software-Engineering, Multi-Media-Systeme. 

Phsyik: Quantenphysik, Glauben und naturwissenschaftliche Apologetik 

Verwandte Dateien

Kontakt